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Auch in demokratischen Gesellschaften greift das Gouvernement gerne in das Literaturgeschehen ein. Manchmal bekommt ein Autor ein Gerichtsverfahren, damit er seine Schreibe etwas zügle, dann wieder bekommt eine Autorin einen Preis oder ein Keks, um zu dokumentieren, dass sie brav und gut gedichtet hat. Eine seltene Form der öffentlichen Zuwendung ist das sogenannte Gratis-Buch, dabei wird ein Buch als so wertvoll empfunden, dass es die öffentliche Hand aufkauft und gratis verschenkt.Die Stadt Innsbruck verteilt seit Jahren zum Frühlingsbeginn ein Gratis-Buch, heuer ist erstmal die Aktion auf #Youth ausgedehnt worden, immerhin leben 4000 Burschen und Mädchen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren in der Landeshauptstadt. Von einer Jugendspezifischen Jury ist Sarah Michaela Orlovskýs Jugendbuch "Tomaten mögen keinen Regen" ausgewählt worden.Für Menschen außerhalb der Zielgruppe ist es nun interessant zu wissen, was man für so geeignet hält, dass man es aufkauft, damit es Jugendliche lesen.Der Tomatenroman spielt in einem vagen ostafrikanischen Land. In einer von Betschwestern geführten Station sind elternlose Jugendliche aufgenommen, die einerseits den Lebensunterhalt vernünftig erlernen sollen und andererseits noch etwas Zukunftsperspektive entwickeln müssen. Ich-Erzähler ist Hovanes, der die Probleme nach innen und außen managen muss, Liebkind der Autorin ist freilich ein gewisser Sirup. In seinen Namen ist die Autorin so vernarrt, dass er auf jeder Seite zweimal auftreten und etwas anstellen darf.Die Truppe kümmert sich um die Tomatenzucht und gerät dabei an die Titel gebende Weisheit, "Tomaten mögen keinen Regen". An anderer Stelle beginnen sie mit der Kaninchenzucht und können so gleich praktische Mathematik anwenden, wenn sie ausrechnen, wie groß die Türöffnung bei einem gewissen Kopfumfang des Hasen sein muss. Beinahe unbemerkt läuft das Schicksal eines Behinderten mit, er wird einfach so lange integriert, bis es passt.Lästig sind da wohl eher die Schaubesuche aus Europa, die Spender wollen offensichtlich nachsehen, was mit ihrer Station passiert. Eine Journalistin braucht ihre obligate Home-story und interviewt und schreibt und philosophiert herum, wie es eben im geistig dünn gehaltenen Journalismus notwendig ist.Der Tagesablauf ist zwischendurch fad wie die Gebete, die das Leben durchziehen, dann gibt es Verletzungen und Unfälle, bei denen man recht gut ins Jenseits schauen kann. Begraben wird allerdings nur der Hase, das Hasenbegräbnis kann locker mit jedem katholischen Begräbnis mithalten. Am Schluss gibt's noch ein Gebet, immerhin ist die Originalfassung in einem katholischen Verlag erschienen.Wie die Jugendlichen mit diesem Roman umgehen werden, kann nur vermutet werden. Wahrscheinlich werden wir in der nächsten Zeit wenig Jugendliche sehen, die am Boden sitzen, weil es sie vom Hocker gehauen hat. Als Diskussionsstoff, wie man Jugendlichen in Afrika eine Alternative zur Emigration nach Europa anbieten sollte, dürften die Regen-empfindlichen Tomaten aber gut geeignet sein.Helmuth Schönauer (Pool Feuilleton//www.biblio.at)