Sprachexperimente im Zeichen der „Glühbirne“ - Wörterfabrik
„Die Welt ist paradox, die Welt ist kolossal, Die Welt ist leider manchmal viel zu sehr real.“ Möglich, dass in diesem prägnanten Zweizeiler der Schülerin Anna Maria Parteli eine Antwort steckt auf die Frage, warum Jugendliche im Zeitalter von Smartphone und Facebook sich begeistern können für ein Projekt, in dem sie mit Papier und Bleistift Gedanken und Ideen zu Wörtern formen und so der „viel zu sehr realen“ Welt mit Lust an der Sprache und Freude an der eigenen Phantasie etwas entgegen stellen.
„Die Glühbirne“ nennt sich ein Projekt der Stadtbibliothek Brixen, das sie gemeinsam mit den drei Brixner Oberschulbibliotheken (Fachoberschule für Wirtschaft, Grafik und Kommunikation „J. und G. Durst“, Oberschulzentrum „J. Ph. Fallmerayer“, Sozialwissenschaftliches Gymnasium „J. Gasser“) im Wintersemester des laufenden Schuljahres auf die Beine gestellt hat. Jeweils 4 Teilnehmer/innen pro Schule konnten sich für drei Nachmittagsveranstaltungen melden, um gemeinsam mit dem Brixner Poetryslammer Arno Dejaco in der „Wörterfabrik“ zu experimentieren. Fünf Schülerinnen und ein Schüler haben sich als kreative Sprachproduzenten und Buchstabenmonteure erwiesen und das Ergebnis dieser kreativen Auseinandersetzung kürzlich in der Brixner Stadtgalerie einem interessierten Publikum vorgestellt. Freunde und Verwandte durften erleben, wie die Jugendlichen im „Garten mit Buchstaben“ erblühten, „wo Wörter wachsen, sprießen, reifen, sich verbinden“ (Carmen Ramoser). Schier unerschöpflich erwiesen sich die Inspirationsquellen und ebenso die individuellen poetischen Ausdrucksmittel. Oft war es die aphoristische Verknappung, bei der die Zuhörer den einmal gesponnen Gedanken zu Ende denken sollten, wie in dem Beispiel von Nadia Rungger: „Der Maler hat an diesem Tag zu viel Weiß in seine Farbe gemischt. Und die Farbe für den ganzen Himmel mischt man nicht zwei Mal.“ Längere Prosatexte wie der von Nadia Unterfrauner entführten in fremde Welten und aberwitzige Situationen. Nach Art von Poetry Slam ließ Magdalena Ferdigg ihre Gedanken in gelungenen Reimen und lautmalerischen Sentenzen aufblitzen, die ein Schmunzeln in die Gesichter der Zuhörer zauberten.
Mit nahezu professioneller Präsenz ließen die fünf Jugendlichen, - Noah Pliger war leider erkrankt – das Publikum teilhaben an ihrer Lust, sich die Welt anzueignen durch Variieren, In-Beziehungsetzen und Modellieren des sprachlichen Materials. Wort und Bild, Klang und Bedeutung, wer diese Vielfalt einmal für sich entdeckt hat, kommt, wie es scheint, nicht mehr davon los. Was Magdalena Ferdigg den Bibliothekarinnen anerkennend ins Stammbuch geschrieben hatte, mag wohl auch zur Charakterisierung der fünf Teilnehmerinnen selbst dienen: Sie sind „Büchermeister, mit ihren Geschichten die Weltumreißer, Wörterschenker, Gedankenlenker“. Eine Schülergruppe des Sozialwissenschaftlichen Gymnasiums unter der Leitung von Ivan Miglioranza trug mit drei musikalischen Einlagen zum Gelingen der Veranstaltung bei. Die anschließende Möglichkeit, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, wurde beim Genießen des von der Stadtbibliothek Brixen gesponserten Buffets vom Publikum gerne genutzt.
Barbara Fuchs
Abschlussveranstaltung Wörterfabrik am 7. Dezember 2016